So leicht ist gesunde Ernährung (oder auch nicht…)

Pascal Pape

So leicht ist gesunde Ernährung (oder auch nicht…):

In den Medien liest man überall, wie leicht man sich doch gesund und vollwertig ernähren kann. Ein Stückchen Obst hier, eine leckere Gemüsebeilage da und fertig ist das gesunde Mahl. Doch ist es wirklich so einfach? Und warum unterschreiten dann Menschen reihenweise die eh schon niedrigen Richtwerte der DGE und es erzielen im Durchschnitt nicht einmal 50% der Deutschen den empfohlenen Vitamin-C-Wert?

Was denkst Du, wie viel Vitamin C Du am Tag aufnimmst? Ein bisschen? Genug? Richtig viel, sodass jede Erkältung vor Ehrfurcht erzittert? Wir wollen diesen Artikel nutzen, um ein bisschen Sensibilität dafür zu schaffen, wie „leicht“ es ist, sich gesund zu ernähren und dass es leider nicht reicht „mal einen Apfel zu essen“. Wir analysieren in diesem Artikel den Vitamingehalt einzelner Obst- und Gemüsesorten, sowie den Gehalt einer typischen angeblich gesunden Tages-Ernährung.

Wir alle wissen, dass Obst und Gemüse ein wichtiger Teil einer gesunden Ernährung sind. Problem unserer heutigen Ernährung sind jedoch unter anderem die Schnelllebigkeit des Alltags, der andauernder Preiskampf selbst bei Lebensmitteln, die undurchsichtige Herstellung oder dass wir unsere Obst- und Gemüsesorten nach Größe und Süße selektiert und überzüchtet haben. Ein moderner Apfel aus dem Supermarkt hat nur noch den Bruchteil des Nährstoffgehalts eines wilden Apfels, den unsere Vorfahren die Jäger und Sammler zu ihrer Zeit gegessen haben. Vielen Verbrauchern ist das jedoch nicht bewusst und auch nicht, wie wenig Nährstoffe sie eigentlich zu sich nehmen. Wir zeigen hier, wie niedrig die Deckung wichtiger Nährstoff durch den Konsum beliebter gesunder Lebensmittel wie Äpfel, Bananen, Tomaten oder Kartoffeln ist.

Reichen die Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für eine gesunde Ernährung?

Die Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sind zugeschnitten auf minimalen Anforderungen, basieren vor allem auf Studien zu Mangelerscheinungen und werden von vielen Ernährungsexperten angezweifelt. So kann man schließlich selbst bei der sechsfachen Dosis der DGE-Empfehlung messen, dass der Körper weiterhin Vitamin C aufnimmt und offensichtlich irgendwo Verwendung dafür findet. Doch selbst die niedrigen Richtwerte der DGE erreichen viele Deutsche nicht. Und eine gesunde Ernährung ist weit mehr, als nur den Mindestbedarf zu decken, denn unser Körper passt sich der Nährstoffversorgung an, die wir ihm zur Verfügung stellen. Es ist wie mit einem Auto auf Reservetank die nächste Tankstelle zu erreichen. Wir fahren langsam und sparsam. Ähnlich verhält sich unser Körper bei einer Minimalversorgung. Er fährt noch, aber eben nur sehr langsam. Mangelerscheinungen mag man mit diesen Werten verhindern, bereits eine simple Grippe dagegen lacht sich über eine Vitamin-C-Aufnahme von 100mg ins Fäustchen. Wir werden also anfälliger für Krankheiten, unser Immunsystem läuft nicht ideal, eventuell leiden wir auch unter Müdigkeit oder anderen körperlichen „Zipperlein“. So wird bei der Therapie von chronischen Kopfschmerzen zum Beispiel auch unter anderem immer die Ernährung begutachtet und nach möglichen Mangelversorgungen untersucht. Einzelne Mindestwerte, zu überschreiten, wie den von Vitamin C, hilft einem wenig, wenn im Gegenzug zum Beispiel eine Unterversorgung an Magnesium vorliegt. Es ist also eine Voraussetzung, durch eine breitgefächerte Ernährung zumindest alle Richtwerte zu erreichen.

Einen Anhaltspunkt auf eine gesunde Ernährung gibt dagegen die Ernährung unserer Vorfahren, als wir zum Beispiel noch Jäger und Sammler waren. Denn an diese Ernährungsumstände hat sich unsere Biologie über Millionen von Jahren der Evolution angepasst. Unser Stoffwechsel steckt auch trotz Entwicklung des iPhones weiterhin in der Steinzeit. Und erst vor einigen tausend Jahren begannen Menschen mit dem Ackerbau nach Wegen zu suchen, Lebensmittel nicht direkt aus der Natur zu beziehen, sondern diese selbst anzubauen und herzustellen. Im Laufe der Menschheitsgeschichte sind diese Methoden jedoch immer mehr perversiert. Wir haben Möglichkeiten gefunden, unsere Lebensmittel immer ökonomischer herzustellen und dabei vor allem auf den Geschmack und die Ertragsrate geachtet. Der Zuckergehalt in Obst schoss deshalb im Laufe der Jahre immer höher, die Nährstoffe dagegen sind nach und nach auf der Strecke geblieben. Sehen wir uns typisches und beliebtes Obst und Gemüse der Deutschen aus dem Supermarkt an.

Der Vitamin-C-Gehalt von einigen Früchten

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(P) = 1 Portion, in der Regel 150-180g
(1) = 1 mittelgroße Frucht (idR 150-180g)

Äpfel sind wohl das begehrteste Obst der Deutschen, doch wie man sieht, müsste man täglich 12 frische Äpfel essen, um überhaupt die niedrigen Vorgaben der DGE an Vitamin C zu erreichen. Auch der Vitamin-C-Gehalt von Bananen ist nur moderat. Früchte wie Mango oder Orangen dagegen sind gute Lieferanten für Vitamin C. Die DGE empfiehlt fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag, verpasst jedoch zu erwähnen, dass man zum Beispiel mit drei Bananen und zwei Äpfeln nicht einmal 50% des von ihnen selbst definierten Vitamin-C-Wertes erreicht.

Nicht berücksichtigt ist in diesem Fall der Verlust von Vitamin C durch Transport und Lagerung. Der Vitamin-C-Gehalt sinkt zum Beispiel schneller, wenn Früchte in der Obstschale liegen und nicht im Kühlschrank aufbewahrt werden. Die Werte beziehen sich lediglich auf frisches Obst, wer also nicht täglich zum Obststand fährt, muss nochmal ein bisschen vom Tabellenwert abziehen. Daher bildet sich vermutlich auch der deutlich höhere Vitamin-C-Wert der Steinzeiternährung, denn damals hat man Obst und Gemüse noch frisch und roh verzehrt. Heute verbringen selbst regionale Äpfel ungefähr fünf Monate im Kühlhaus, bereits nach sechs Wochen bei 0°C gelagert, verliert ein Apfel jedoch laut Studien schon rund 60% seines Vitamin-C-Gehalts. Bei Raumtemperatur gelagert (wie im Supermarkt) verliert er sein Vitamin C deutlich schneller.

Der Gehalt von Riboflavin / Vitamin B2

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Riboflavin (Vitamin B2) ist gut geeignet, um zu zeigen wie unterschiedlich der Wert in Früchten sein kann. Beim Vitamin-C-Gehalt haben Orange und Mango die Tabelle noch mit Abstand angeführt und man kann mit diesen Sorten zumindest seinen grundbedarf leicht decken. Bei Riboflavin dagegen sieht es deutlich ausgeglichener, aber gleichzeitig auch sehr mager aus. Eine Banane liefert zumindest schon mal 6,7% des DGE-Bedarfs, dennoch kommt man mit fünf Portionen Obst und Gemüse nicht weit. Äpfel und Kirschen zum Beispiel enthalten Vitamin B2 nicht einmal mehr im relevanten Bereich. Wir bräuchten täglich satte 65 Portionen unseres modernen Obstes, um auf den Vitamin-B2-Vergleichswert einer Steinzeiternährung zu kommen.

Für die nächsten Nährstoffwerte betrachten wir Gemüsesorten, weil Gemüse hier in der Regel die besseren Lieferanten des jeweiligen Mikronährstoffs bietet.

Kalium-Gehalt in Supermarkt-Gemüse

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Bei Kalium liefert selbst herkömmliches Supermarktgemüse zumindest rund 1/4 – 1/5  des Richtwertes der DGE. Hier reichen also in der Tat fünf Portionen, um eine Mindestversorgung sicherzustellen. Der Kaliumgehalt einer Steinzeiternährung weicht jedoch wiederum deutlich von den Empfehlungen der DGE ab. Unsere berechnete Portion an Tomaten beträgt drei Stück mittlerer Größe. Man müsste also täglich 75 Tomaten essen, um eine vergleichbare Versorgung einer Steinzeiternährung zu erreichen.

 Zink-Gehalt in typischem Gemüse

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Beim Spurenelement Zink sieht die Welt wieder anders aus. Beliebte Gemüsesorten wie Tomaten oder Kartoffeln liefern gerade einmal 4-7% des Richtwertes der DGE. Gemüsesorten wie Avokado oder Brokkoli dagegen sind immernoch verlässliche Zink-Lieferanten. Ohne diese Exoten fällt es jedoch schwierig, die Werte der DGE zu erreichen. Zink ist zum Beispiel unheimlich wichtig für die Eiweißsynthese und Zellteilung – damit wiederum für Haut, Haare und Wundheilung – oder die Verdauung und unser Immunsystem. Ein Mangel eines unscheinbaren Spurenelements wie Zink führt nicht zwangsläufig direkt zu einer Krankheit, schwächt aber den Körper ungemein. Um, auf Zink bezogen, an das Immunsystem eines Steinzeitmenschen heranzureichen, müsste man täglich über 14 Portionen unseres Supermarkt-Gemüses konsumieren. Geeignetere Zinklieferanten sind tierische Produkte.

Folat-Gehalt (Folsäure / Vitamin B9) in Gemüse

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Folate wie Folsäure wurden deutlich häufiger diskutiert, zum Beispiel im Bezug auf Schwangerschaft, da über 80% der Deutschen die Richtwerte der DGE nicht erreichen. Das erklärt sich leicht, wenn man den Folsäuregehalt von beliebten Gesmüsesorten wie Karotten, Kartoffeln oder Tomaten betrachtet. Hier müsste man täglich 33 Tomaten essen, um überhaupt den körpereigenen Minimalbedarf an Folsäure zu sättigen. Auch hier gilt: Täglich zwei „exotische“ Portionen Gemüse wie Brokkoli oder Avokado mit in die gesunde Ernährung integrieren und man kann den Grundbedarf dieses Vitamins ziemlich sicher decken. Hier mangelt es vor allem an Aufklärung durch DGE und Medien. Ausnahmsweise decken sich hier auch die Vorgaben der DGE fast mit den Werten der Ernährung eines Jägers und Sammlers.

 Ein Beispiel für eine „gesunde Ernährung“?

Nehmen wir als Beispiel einmal an, Du isst über den Tag verteilt drei Mahlzeiten…

  1. Zum Frühstück: Eine leckere Banane und einen gesunden Apfel (um den Biorhythmus zu schonen und zu viele Kohlenhydrate am Morgen zu vermeiden)
  2. Zum Mittagessen: Zwei Scheiben Vollkornbrot und dazu eine Portion Gemüse (drei Tomaten)
  3. Zum Abendessen: Einen saftigen Lachs aus dem Supermarkt, dazu gekochte Kartoffeln

Und nachmittags schmeißt Du noch einen Apfel gegen den Hunger ein. Klingt nach einem gesunden Ernährungsplan?

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Anmerkung: Zur Magnesiumversorgung unserer Vorfahren konnten wir bis jetzt noch keine genauen Zahlen finden. Magnesiummangel scheint jedoch weit verbreitet zu sein, deshalb haben wir es hier mit aufgenommen.

Leider erreichst Du mit diesem Ernährungsplan aber nur die DGE-Richtwerte von einem einzigen Nährstoff, den von fünf dagegen nicht. Und obwohl Du schön brav auf alle Empfehlungen achtest, fünf Portionen Obst und Gemüse verzehrst, ausschließlich zu Vollkornbrot greifst und selbst für eine Zwischenmahlzeit am Nachmittag auf Obst zurückgreifst, liegst Du immernoch unter 70% der eh schon niedrigen Vitamin-C-Empfehlung der DGE. Heute sehen wir einen Ernährungsplan mit fünf Portionen Obst und Gemüse und sagen „wow, isst Du aber gesund!“ Unsere Vorfahren dagegen hätten sich über eine lächerliche Ernährung wie diese kaputt gelacht. Das wäre der neue Running-Gag am Lagerfeuer geworden. Und jetzt die nächste Frage: Wie oft in der Woche denkst Du, dass Dein Körper eine „gesunde Ernährung“ mit fünfmal Obst und Gemüse überhaupt erhält? Und wie oft weichst Du doch auf gehaltloses Brot aus Weißmehl aus, isst morgens lieber eine Butterbreze oder willst Abends einfach mal eine schöne Portion Spaghetti Carbonara genießen? In diesen Fällen erfüllst Du nur noch einen Bruchteil der empfohlenen Werte, Basis für eine gesunde Ernährung und eine ausreichende Prävention vor ernährungsmitbedingten Krankheiten.

 Fazit: Gesunde Ernährung ist alles andere als einfach

Seinem Körper täglich eine gesunde Ernährung zu bieten ist in der heutigen Zeit leider alles andere als einfach. Das liegt unter anderem schon an den selektierten Sorten (nach Größe und Geschmack) in unseren Supermärkten, die zu Zeiten der Jäger und Sammler nun mal nur selten auf der Speisekarte der gesunden Ernährung standen, noch dazu damals frisch konsumiert wurden.

Die üblichen Verdächtigen wie Äpfel, Bananen, Tomaten oder Kartoffeln, reichen nicht einmal aus, um eine Versorgung des Grundbedarfs an Nährstoffen sicherzustellen.

Eine gesunde Ernährung sollte deshalb neben Fleisch und Fisch täglich unter anderem exotische Früchte, Beeren und dunkles Gemüse wie Brokkoli enthalten. Wichtig ist es auch, möglichst viele verschiedene Obst- und Gemüsesorten in den Ernährungsplan zu integrieren, um eine breitgefächerte Nährstoffversorgung sicherzustellen.

Weil das für die meisten Menschen kaum umsetzbar und oft auch gar nicht mehr bezahlbar ist, greifen immer mehr zu naturnahen Nahrungsergänzungen, die dabei helfen, Fehler unserer modernen Lebensmittel und Ernährung auszugleichen und eine vielfältige Versorgung abzusichern. Denn während wir durch den Konsum von viel süßem Obst zum Beispiel ausreichend Energie in Form von Fruchtzucker oder auch einige sekundäre Pflanzenstoffe erhalten, lässt der Gehalt an essenziellen Vitaminen, Antioxidantien, Mineralstoffen, bestimmten Pflanzenstoffen und Spurenelementen zu wünschen übrig.

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