Fischöl-Kapseln: Gefährlich oder gesund?

Pascal Pape

Aktualisiert: 15.2.2023

Fischöl-Kapseln: Gefährliche Wirkung oder gesund?

Nach meinem Artikel über Krillöl, kommen mittlerweile täglich Leser auf mich zu und fragen nach dem besten Fischöl oder Alternativen zu Krillöl. Ich bremse sie dann meistens erst einmal: „Mooooment, wie ist überhaupt Dein Wissensstand zum Thema Fischöl?“

Denn den meisten ist zum Beispiel nicht bewusst, dass man Fischöl-Kapseln auf keinen Fall isoliert einnehmen sollte, wenn man von einer positiven Wirkung profitieren will. Das ist ein beliebter aber gleichzeitig gefährlicher Fehler. Warum und wieso, sowie die wichtigsten Hintergrundinformationen zu Fischöl erkläre ich hier.

Die vielen Gesichter von Fischöl

Die Wirkung von Fischöl-Kapseln hat in Studien verschiedene Gesichter:

  • Fischöl-Kapseln verbessern laut einigen Studien zum Beispiel Triglyceride oder Cholesterin auf gesunde Werte.
  • Andere Studien haben gezeigt, dass Fischöl die Insulinsensitivität verbessern kann und wir dadurch weniger schlecht (wie soll ich es anders sagen?) auf Kohlenhydrate reagieren. Damit hilft es automatisch beim Abnehmen.
  • Wieder andere Studien haben gezeigt, dass es anabol wirkt, Testosteron steigern kann und beim Muskelaufbau hilft.
  • Fischöl-Kapseln sollen laut einigen Studien sogar bei Alzheimer, ADHS oder Depressionen helfen.

Die Frage ist, warum? Die Antwort besteht aus zwei Komponenten:

1) Die Fettsäure DHA ist die wichtigste Fettsäure in unserem Gehirn:

DHA ist in Fischöl-Kapseln enthalten und die wohl wichtigste Omega-3-Fettsäure. Über die Hälfte unseres Gehirns besteht aus Fetten und DHA macht bis zu 20% unseres gesamten Gehirns aus. Das Problem unserer heutigen Ernährung ist, dass wir zu viele Omega-6-Fettsäuren (n6) konsumieren. Diese teilen sich jedoch mit…

  1. kurzkettigen pflanzlichen Omega-3-Fettsäuren (n3) wie ALA oder
  2. der n3-Fettsäure EPA (ebenso in Fischöl enthalten)

Enzyme zur Synthese der langkettigsten n3-Fettsäure DHA. (Siehe: Omega-3-Fettsäuren) Durch unsere moderne n6-reiche Ernährung wird die Synthese von DHA gehemmt und wir leiden automatisch an einem DHA-Mangel. Auch zum Beispiel Insulinresistenz scheint die Umwandlungsrate für DHA zu reduzieren.

Das gefällt unserem Gehirn natürlich nicht so gut. Manche Wissenschaftler vermuten deshalb einen Zusammenhang zwischen dem weit verbreiteten chronischen Mangel an DHA und der Zunahme von Krankheiten wie ADHS oder degenerativen Erkrankungen des Gehirns wie Alzheimer.

2) Entzündungshemmend:

Genauso wichtig ist der zweite Punkt, der damit im direkten Zusammenhang steht. n6-Fettsäuren wirken entzündungsfördernd. Auf der anderen Seite ist DHA ein extrem wichtiger Baustein, damit der Körper Entzündungen „abschalten kann“.

Deshalb zeigten Fischöl-Kapseln in zahlreichen Studien eine entzündungshemmende Wirkung. Patienten mit Arthritis zum Beispiel könnten, laut einer Meta-Analyse von 23 verschiedenen Studien, die Einnahme von antientzündlichen Medikamente alleine durch Fischöl senken.

Die meisten genannten Vorteile scheinen aus dem entzündungshemmenden Effekt von Fischöl zu resultieren. Bei Depression haben Untersuchungen mittlerweile gezeigt, dass selbst diese Krankheit entzündungsbasiert ist, wie so viele verbreitete moderne Krankheiten. Deshalb ist ein Zusammenhang naheliegend.

Fischöl beugt einem DHA-Mangel vor und wirkt entzündungshemmend.

Eskimo-Ernährung: Grundlage für Studien zu Fischöl

Wie kam man überhaupt auf die Idee, dass Fischöl-Kapseln gesund sein könnten? Die Grundlage waren Studien an Eskimos. Vor vielen Jahrzehnten haben sich Eskimos traditionell noch fast ausschließlich von Fisch und Meerestieren ernährt – reich an DHA und zu kleineren Teilen auch EPA.

Damals zeigten Studien, dass diese Ernährung mit einem erstaunlich niedrigen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einher geht. Das Interesse vieler Forscher war sofort geweckt, da Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache zum Beispiel in den USA oder Deutschland sind.

Was aber geschieht, wenn man Ernährung nur zur Hälfte versteht, musste der Forscher Hugh Sinclair am eigenen Leib herausfinden: Er versuchte die Ernährung der Eskimos für 100 Tage zu imitieren, ernährte sich hauptsächlich von Fisch und verspeiste kiloweise Robben und Makrelen. Er konnte zeigen, dass sich die Blutgerinnung durch diese Ernährungsumstellung deutlich verringert. Wodurch einerseits Blutungen länger andauern, andererseits das Risiko für Blutgerinsel sinkt.

Die Schlussfolgerung: Mehr Fisch = „dünneres Blut“ = weniger Blutgerinsel = niedrigeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Gleichzeitig musste Sinclair jedoch leider ebenso beobachten, dass der Wert von Malondialdehyd (MDA) in seinem Urin um das 50-fache des Normalwertes anstieg und sich die Zahl seiner Spermien auf Null reduzierte. Ein hoher MDA ist ein Merkmal für erhöhten oxidativen Stress durch freie Radikale und alles andere als gesund.

Eine unvollständige Imitation der Eskimo-Ernährung senkt die Blutgerinnung, erhöht jedoch gleichzeitig Biomarker für oxidativen Stress durch freie Radikale.

Die Kehrseite von Fischöl-Kapseln und ungesättigten Fettsäuren

Die Studien zu Fischöl-Kapseln konzentrieren sich darauf, lediglich einzelne Aspekte zu beleuchten. Forscher verlieren dabei aber die chemische Natur von ungesättigten Fettsäuren wie EPA und DHA aus den Augen.

Vergleichen wir dazu grundlegend die chemische Struktur von gesättigten Fettsäuren und ungesättigten Fettsäuren:

Dient nur zur Veranschaulichung

Gesättigte Fettsäuren sind sehr stabil, jedes Kohlenstoffatom (C) wird von Wasserstoffatomen (H) sinnbildlich geschützt. Deshalb lassen sich gesättigte Fettsäuren auch höher erhitzen und Fette wie Butter oder Kokosnussöl – reich an gesättigten Fetten – sind gut zum Kochen geeignet.

Bei ungesättigten Fettsäuren sind nicht alle C-Atome durch H-Atome geschützt, weshalb eine sogenannte Doppelbindung (=) zwischen einzelnen C-Atomen entsteht. Durch die Doppelbindungen wird die Fettsäure instabiler. Einfach ungesättigte Fettsäuren (wie zum Beispiel viel in Olivenöl enthalten) haben nur eine dieser Doppelbindungen und sind noch relativ stabil.

Bei mehrfach ungesättigten Fettsäuren dagegen liegen mehrere Doppelbindungen vor, weshalb diese deutlich instabiler sind. EPA zum Beispiel hat fünf Doppelbindungen.

Doppelbindungen sind besonders anfällig für die Oxidation durch freie Radikale. Greifen freie Radikale die Fettsäure an, verändert sich dadurch ihre Struktur und diese wird ranzig – man nennt diesen Vorgang im und außerhalb des Körpers Lipidperoxidation.

Ranziges Öl ist folglich schlichtweg Fett, das durch freie Radikale oxidiert wurde. Durch die Oxidation entstehen neue freie Radikale, welche andere Fettsäuren angreifen und eine Kettenreaktion entsteht. Deshalb sollte man zum Beispiel Leinöl im Kühlschrank aufbewahren und vor Wärme und Sonne besonders gut schützen. Gleiches gilt natürlich für Fisch oder Fischöl-Kapseln.

Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren EPA und DHA sind für die Gesundheit unseres Körpers unersetzlich. Jedoch sind sie anfällig für Oxidation durch freie Radikale.

Also sind Fischöl-Kapseln schädlich?

Nein, nicht zwangsläufig, genauso wenig wie der Konsum von Fisch schädlich ist. Schuld ist vor allem unsere moderne Ernährung, wodurch wir unterdurchschnittlich schlecht an Antioxidantien versorgt sind. Antioxidantien sind jedoch unersetzlich, um ungesättigte Fettsäuren in unserem Körper vor freien Radikalen zu schützen.

Nehmen wir also vermehrt mehrfach ungesättigte Fettsäuren auf – um unseren Körper eigentlich etwas Gutes zu tun – verbrauchen wir dadurch automatisch zahlreiche Antioxidantien (an denen wir schon vorher unterversorgt waren).

Stehen nicht genügend Antioxidantien zur Verfügung, so oxidieren hierdurch die ungesättigten Fettsäuren des Fischöls.

Dadurch können wir unserem Organismus vor allem auf lange Sicht mehr schaden als unterstützen. Das öffnet Tür und Tor für freie Radikale, die ungestört toben und unsere Zellen beschädigen können.

Sinclair hätte sich die Diät der Eskimos mal besser genauer ansehen und vielleicht auch mal mit einem Eskimo sprechen sollen. Denn er hat den großen Fehler begangen, sich ausschließlich auf die ungesättigten Fettsäuren zu konzentrieren. Den gleichen Fehler begehen unwissentlich viele Verbraucher, wenn sie durch beeinflussende Werbung oder unseriöse Ernährungsberater fehlgeleitet werden.

Eskimos konsumieren traditionell zum Beispiel auch Blut oder Nieren und andere Organe. Dadurch nehmen sie nicht nur n3- sondern auch n6-Fettsäuren auf und kommen auf ein relativ ausgeglichenes Fettsäureverhältnis. Außerdem erhalten sie hierdurch vielfache Antioxidantien und zahlreiche andere Mikronährstoffe.

Fischöl-Kapseln sollten auf keinen Fall isoliert eingenommen werden. Die Zufuhr von zusätzlichen Antioxidantien ist essenziell, um die Fettsäuren vor Oxidation zu schützen.

Ist in Fischöl-Kapseln nicht Vitamin E enthalten?

Ich habe mit dutzenden Fischöl- und Krillöl-Herstellern geredet und musste feststellen, dass selbst hier die durchschnittliche Kompetenz zum Thema Antioxidantien mangelhaft ist.

Vitamin E wird in den meisten Fischöl-Kapseln schon mal nur in Form von Alpha-Tocopherol verwendet. Es gibt jedoch verschiedene natürliche Formen von Vitamin E, Alpha-Tocopherol ist nur eine davon und hemmt unter anderem die einzigartige antioxidative Wirkung von Gamma-Tocopherol. Ein Grund, warum einzeln hochdosiertes Alpha-Tocopherol keine gute Idee ist. Tocopherole sollten idealerweise in einem natürlichen Gemisch vorliegen.

Denn Antioxidantien wirken in einem Netzwerk, in dem sie sich gegenseitig ergänzen. Verschiedene freie Radikale sind wie unterschiedliche Schlösser, mit einem einzigen Schlüssel kommen wir hier nicht weit. Um die Bedrohung von freien Radikalen zu neutralisieren, brauchen wir deshalb ein natürliches Netzwerk aus vielen verschiedenen Antioxidantien. Leider darf Alpha-Tocopherol dennoch auf Etiketten offiziell als „Vitamin E“ bezeichnet werden.

Zudem reicht Vitamin E alleine nachweislich nicht aus, um die mehrfach ungesättigten Fettsäuren in Fischöl-Kapseln vor Oxidation vollständig zu schützen. Deshalb sind laut einer norwegischen Studie auch über 95% der Fischöl-Produkte am Markt bereits ranzig, bevor sie überhaupt in unserem Kühlschrank landen. Guten Appetit!

Auch um vor Oxidation in unserem Körper zu schützen, reicht Vitamin E alleine nicht aus (wie gesagt: Netzwerk).

Sinclair hat seine Eskimo-Diät täglich durch die Einnahme von Vitamin-E ergänzt. Geholfen hat es nichts. Studien, die zum Beispiel den Wert von MDA gemessen haben, belegen diese Annahme. Die falsche Einnahme von Fischöl-Kapseln erhöht den oxidativen Stress im Körper.

Vitamin E alleine reicht nicht aus, um die Oxidation von ungesättigten Fettsäuren zu verhindern. Alpha-Tocopherol ist nur eine Form von Vitamin E.

Die Wirkung von Fischöl-Kapseln

Zahlreiche Studien belegen die positive Wirkung einer zusätzlichen Einnahme der Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA durch Fischöl-Kapseln.

Harvard hat einen Mangel an Omega-3-Fettsäuren als die höchste ernährungsbedingte Todesursache in den USA erklärt, noch vor dem Konsum von gefährlichen Transfetten. In der „Physicians‘ Health Study“ wurde die Konzentration von EPA und DHA im Blut der Probanden gemessen. Die Gruppe mit den höchsten Werten hatte ein 90% geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, im Vergleich zur Gruppe mit der niedrigsten Konzentration im Blut.

„Für Ihre Gesundheit sollten Sie darauf achten, jeden Tag mindestens eine reichhaltige Quelle an Omega-3-Fettsäuren zu erhalten.“ – Dr. Frank Sacks, Prof. für Prävention von Herz-Kreislauf-Krankheiten, Harvard School

Demgegenüber stehen Studien zur Langzeit-Einnahme von Fischöl-Kapseln, wie die „DART 2 Trial“ über vier Jahre hinweg. Hier beobachtete man, dass die Einnahme von Fischöl-Kapseln das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten sogar erhöhte. Auch eine Meta-Analyse (mehrere Studien ausgewertet) von Cochrane kommt auf das kritische Ergebnis, dass die Wirkung von Fischöl-Kapseln zumindest deutlich überschätzt wurde.

Derartige Ergebnisse sind mit wissenschaftlichen Grundlagen, zur chemischen Beschaffenheit von ungesättigten Fettsäuren, eigentlich leicht zu erklären.

Man muss zum Beispiel ebenso bedenken, dass viele Sportler zu hochdosierten Mengen an Fischöl-Kapseln greifen, ohne sich auch nur ein einziges Mal Gedanken über Vitamine und Antioxdantien zu machen. Dieser Schuss geht natürlich nach hinten los und derartige Probanden verzerren zusätzlich das Ergebnis von Studien und Meta-Analysen. Cochrane beweist mal wieder, dass sie nicht willens sind, diese Ergebnisse für Konsumenten oder Ärzte in Kontext zu setzen.

Hohe Werte an EPA und DHA sind besser => geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Aber: Die langfristige isolierte Einnahme von Fischöl-Kapseln verursacht oxidativen Stress, der für unseren Körper schädlich ist.

Worauf man beim Kauf von Fischöl-Kapseln achten sollte

Um sich vor oxidiertem Fischöl zu schützen, solltet Ihr unter anderem auf folgende Faktoren achten:

1) Viel ist nicht gleich besser: Billige Fischöl-Produkte verwenden vor allem möglichst viel EPA. Wie kurz angeschnitten, benötigt unser Körper jedoch in erster Linie die langkettige Fettsäure DHA. Enthält ein Fischöl besonders viel EPA, so führen wir unserem Körper zu viele mehrfach ungesättigte Fettsäuren zu, mit denen er oft gar nichts anfangen kann.

2) Vitamin E: Auf keinen Fall sollte Fischöl synthetisches Vitamin E enthalten. Dieses erkennt Ihr an der Bezeichnung DL-Alpha-Tocopherol (oft auch nur Vitamin E, Tocopherol oder Tocopheroläquivalent). Natürliches Vitamin E trägt die Bezeichnung D-Alpha-Tocopherol oder gemischte Tocopherole.

3) Starke Antioxidantien: Vitamin E alleine reicht nicht aus, um die Fettsäuren vor Oxidation zu schützen. Ein gutes Fischöl sollte neben Vitamin E unbedingt auch stärkere fettlösliche Antioxidantien enthalten.

4) Qualität: Eine schonende Herstellung ist entscheidend. Idealerweise hast Du direkten Kontakt zum Hersteller und kannst somit beurteilen, ob strenge Qualitätskriterien erfüllt werden.

5) Niemals ohne Antioxidantien einnehmen: Egal wie viele Antioxidantien in einer Fischöl-Kapsel auch enthalten sein mögen, es reicht nicht aus, um das Netzwerk an Antioxdantien im Körper zu vervollständigen. Hierzu sind unter anderem zahlreiche Vitamine unerlässlich, wie Vitamin C oder Mineralien wie Zink und Selen. Wer weiß, dass wir an Omega3-Fettsäuren unterversorgt sind, sollte auch wissen, dass wir an Antioxidantien unterversorgt sind. Wir brauchen also mindestens ein zusätzliches Nahrungsergänzungsmittel, für eine breitgefächerte Grundlage an Antioxidantien.

Update: Wow, über 100 Kommentare alleine zu diesem Beitrag, vielen Dank! Da ich mittlerweile sehr viele Anfragen erhalte, welches Fischöl ich empfehle, habe ich Produktempfehlungen in meinen Newsletter integriert.

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