Omega-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren – Wie das Fettsäureverhältnis unsere Gesundheit beeinflusst

Pascal Pape

Was sind essentielle Fettsäuren?

Unser Körper besteht zu einem großen Teil aus Fett. So bestehen zum Beispiel unsere Zellen aus zwei Fettschichten und unser Gehirn besteht zu 60% aus Fett. Fettsäuren sind unentbehrlich für viele biologische Prozesse, für unser Wachstum und unter anderem für den Transport der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K zuständig. Und – man möchte es kaum glauben – Fett unterstützt sogar beim Abnehmen. Entscheidend ist vor allem das richtige Verhältnis der konsumierten Fette, da diese sich sowohl in ihrer chemischen Struktur als auch durch ihre Verwendung in unserem Körper untereinander unterscheiden.

Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren sind essentielle Fettsäuren. Unser Körper ist schlau genug, fast alle Fette selbst herstellen zu können. Nicht jedoch essentielle Fettsäuren. Essentiell bedeutet also nicht nur, dass Fette besonders wichtig für biologische Prozesse in unserem Körper sind, sondern auch, dass diese ausschließlich mit der Nahrung aufgenommen werden können.

Was bedeutet das Fettsäureverhältnis?

Omega-3- (n-3) und Omega-6- (n-6) Fettsäuren kann man sich als Konkurrenten in unserem Körper vorstellen. Warum? Obwohl sich n-3 und n-6 Fettsäuren grundlegend unterscheiden, teilen sie sich dennoch dieselben Enzyme für Verdauung und Weiterverarbeitung. Das bedeutet wiederum, dass die Aufnahme zu vieler Omega-6-Fettsäuren die Verfügbarkeit dieser Enzyme für die wichtigen Omega-3-Fettsäuren sprichwörtlich blockieren.

Sehen wir uns dazu die biologischen Grundlagen an:
(Grob anschauen reicht, Erklärung folgt)

Es ist biologisch gesehen ganz simpel: Langkettige Fettsäuren (dunkelblau) sind besonders wichtig für unseren Körper und können aus kurzkettigen (hellblau) hergestellt werden. Am Anfang der Omega-3-Fettsäuren steht die kurzkettige Fettsäure ALA, welche zum Beispiel in pflanzlichen Ölen wie Leinöl enthalten ist. Am Ende steht die wichtigste Fettsäure DHA. Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren teilen sich wie gesagt dieselben Enzyme zur Weiterverarbeitung (Mitte), wie zum Beispiel „Δ6 Desaturase“. Konsumieren wir also zu viele Omega-6-Fettsäuren, so werden diese wichtigen Enzyme blockiert. Die Folge ist, dass zwangsläufig unter anderem weniger der Omega-3-Fettsäure DHA synthetisiert wird.

Da unser Organismus über lange Zeiten der Evolution gewohnt war DHA zum Beispiel aus Fisch zu erhalten, sind wir zudem nicht gerade Experten in der Umwandlung von kurzkettigen in langkettige Fettsäuren. Vom Anfang bis zum Ende der Synthesekette liegt die Umwandlungsrate selbst bei jungen und gesunden Männern durchschnittlich bei unter 4%, teilweise sogar bei 0% von ALA in DHA. Mit zunehmenden Alter sinkt die Umwandlungsrate zudem immer tiefer in den Keller, auch Krankheiten und andere Belastungen wirken sich negativ aus.

Lediglich junge und gesunde Frauen mit einem guten Stoffwechsel profitieren von einer besseren Umwandlungsrate von ALA über EPA bishin zu DHA von durchschnittlich immerhin 8%. Doch DHA ist für unseren Körper extrem wichtig und ein Mangel fatal. So bildet DHA 90% der n-3 Fettsäuren in unserem Gehirn oder ist als einzige n-3 Fettsäure in der Lage die Plazentaschranke zu durchqueren. In Harvard hat man ein Defizit an Omega-3-Fettsäuren als die sechsthäufigste verhinderbare Todesursache in den USA berechnet. Noch vor der Einnahme ungesunder Transfette.

Weil pflanzliche Öle nur ein Lieferant kurzkettiger Omega-3-Fettsäuren sind, benötigen wir vor allem bei einem unausgewogenem Fettsäureverhältnis eine direkte Quelle von DHA. Zum Beispiel aus Fisch oder hoch konzentriert aus schadstoff-freiem Fischöl. Auch eine hohe Zufuhr an EPA resultiert nicht automatisch in einer ausreichenden Versorgung an DHA.

Warum haben Omega-6-Fettsäuren einen so schlechten Ruf?

Schauen wir dazu erneut auf das Schaubild. Stark vereinfacht können wir sagen, dass während aufseiten der n-3 Fettsäuren alles relativ unspektakulär Friede Freude Eierkuchen abläuft, so entstehen aufseiten der n-6 Fette entzündungsfördernde Komponenten (pinker Kasten), wie zum Beispiel bestimmte Prostaglandine der „Serie 2“.

Konsumieren wir also deutlich mehr n-6 Fette, so werden zwangsläufig zu viele Entzündungen im Körper provoziert. Und wie vermutlich jeder weiß, hängen laut Experten etliche Krankheiten mit Entzündungen zusammen. Zu nennen sind hier alle entzündungsbasierten Krankheiten: Von Übergewicht, Insulinresistenz, Diabetes, Herzerkrankungen, Osteoporose, Arthrose oder Rheuma bishin zu Krebs.

Da die durchschnittliche Ernährung in Deutschland bei ungefähr 15:1 (n6:n3) liegt, könnt Ihr Euch vorstellen, von wie viel „zu vielen Entzündungen“ wir hier sprechen. Die langkettige n-3 Fettsäure DHA dagegen ist Baustein für entzündungshemmende Komponenten im Körper. DHA ist unerlässlich in seiner Funktion Entzündungen „abzuschalten“, sobald diese nicht mehr gebraucht werden. Es entstehen also nicht nur vermehrt Entzündungen, sondern wird zudem die Produktion von Entzündungshemmern reduziert. Das Salz in der offenen Wunde.

„Wissenschaftler entdecken zunehmends, dass ein Element der meisten degenerativen Erkrankungen leichte chronische Entzündungen sind und die Unfähigkeit wichtige Entzündungsprozesse „abzuschalten“, sobald diese nicht weiter benötigt werden, könnte Teil des Problems sein. Ein Mangel an DHA ist deshalb die mögliche Wurzel des weit verbreiteten Rückgangs an kognitiver Leistung, der Zunahme von Geistesstörungen und der Verbreitung an degenerativen Erkrankungen epidemischen Ausmaßes.“ – Chris Masterjohn, PhD Nutritional Science

Eine Ibuprofen macht übrigens nichts anderes, als auf genau diese entzündungsfördernden Komponenten zu wirken, die durch Omega-6-Fettsäuren entstehen. So weiß selbst Wikipedia: „Das Hauptaugenmerk in der Pharmaforschung liegt auf den Prostaglandinen aus der Arachidonsäure (Serie-2), da diese für Schmerz, Blutgerinnung, Entzündungen und vieles andere verantwortlich sind.“ Die Omega-6-Fettsäure Arachidonsäure ist in der Grafik als „AA“ gekennzeichnet. Genau aus diesem Grund haben n-6 Fettsäuren einen schlechten Ruf und AA gilt oft als die Quelle allen Übels.

Also sind Omega-3-Fettsäuren die „guten“ Fettsäuren?

So sagt man es im Volksmund, was aber auch nicht ganz richtig ist. Am Ende scheint vor allem das Verhältnis der Fettsäuren entscheidend zu sein. Denn genauso wie Entzündungen nicht immer zwangsläufig schlecht sind, denn Entzündungsprozesse sind ein wichtiger Teil unseres Immunsystems, so sind auch n-6 Fettsäuren nicht immer „böse“. Am Ende braucht unser Körper ebenso die Belastung, wie er im Gegenzug Erholung und Linderung braucht.

Ähnlich wie beim Sport. Auch das belastet unseren Körper, aber wer es nicht übertreibt und seinem Körper Zeit zur Regeneration gibt, der macht ihn damit langfristig stärker und resistenter. Ein Fettsäureverhältnis von 15:1 ist jedoch völlig aus dem Lot. Stellt Euch im Vergleich vor, Ihr strampelt 15 Stunden auf dem Laufband und legt Euch danach lediglich 1 Stunde schlafen. Hier fehlt jegliche Balance und Euer Körper steht unter Dauerstress. Die Dosis macht wie immer das Gift.

Zudem sollte man selbst das Verhältnis von DHA:EPA beachten. Dieses liegt zum Beispiel in der Muttermilch oder unserem Blut bei 3:1. Hier ist noch nicht untersucht worden, ob ein verschobenes Verhältnis schädlich ist. Erwiesen ist jedoch, dass eine höhere Versorgung mit DHA als EPA laut Studien zahlreiche Vorteile mit sich bringt. Vermutlich hängt auch das wiederum mit der schlechten Umwandlung von EPA in DHA zusammen. EPA dagegen kann unser Körper sehr leicht aus DHA herstellen.

Wer sagt uns, welches Fettsäureverhältnis gesund ist?

Das ist eine sehr gute Frage und niemand kann sie zu 100% beantworten. Wir können wie immer lediglich beobachten und schlussfolgern. Am plausibelsten ist wohl der Vergleich mit der Ernährung des Menschen während der Steinzeit. Warum? Weil sich die Biologie unseres Körpers auf diese Ernährung über Millionen von Jahren eingestellt hat. Und genauso wie Anthropologen sagen können, dass damals unsere Ernährung mindestens 6x so viel Vitamin C enthalten hat, können sie auch das damalige Fettsäureverhältnis auf ungefähr 1:1 Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren bestimmen.

Denn lange Zeiten unserer Evolution fanden entweder an der Küste Afrikas oder zumindest an Gewässern statt, wo es viel Omega-3-reichhaltigen Fisch gab. Auch Pflanzen, Obst und Beeren haben ein relativ ausgeglichenes Fettsäureverhältnis. Genauso wie wild lebende Tiere, die sich viel bewegen und/ oder Gras fressen. Kräuter und Pilze zum Beispiel besitzen in der Regel mehr Omega-3-Fettsäuren als Omega-6-Fettsäuren. Das durchschnittliche Verhältnis von DHA:EPA von Fischen liegt übrigens wieder bei 3:1.

Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass es durchaus auch Wissenschaftler gibt – zum Beispiel aus der Hirnforschung – die ein Fettsäureverhältnis von ungefähr 4:1 als ideal ansehen. Das steht jedoch im Widerspruch zu vielen Studien, die unter anderem gezeigt haben, dass ein Fettsäureverhältnis von 2,5:1 die Proliferation von Darmkrebszellen reduziert, nicht jedoch ein Verhältnis von 4:1. Andere Forscher wiederum bestimmen den Wert penibel genau auf 2,3 zu 1.

Am Ende können wir die wichtigste Gemeinsamkeit festhalten: Unser heutiges Fettsäureverhältnis weicht selbst bei einer vollwertigen Ernährung eklatant von den Idealwerten ab. Anzustreben ist ein FSV von 1:1 bis ungefähr 2:1. Ein Fettsäureverhältnis, welches über diesem Wert liegt, scheint die Entstehung zahlreicher Krankheiten zu begünstigen.

Woran liegt es, dass unser Fettsäureverhältnis derart unausgewogen ist?

Angefangen hat es mit dem Ackerbau, verschlimmert wurde es durch den Einsatz schlechter Bratfette und ausgeartet ist es zu Zeiten der Massentierhaltung. Nehmen wir als Beispiel ein angeblich so wahnsinnig gesundes Vollkornbrot. Wie hoch ist wohl das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren? Es liegt bei stolzen 23:1. Ein anderes beliebtes Beispiel sind billige Öle wie Sonnenblumenöl. Hier sind Spitzenwerte von 781:1 nicht selten, da fast gar keine Omega-3-Fettsäuren enthalten sind.

Und in der Massentierhaltung stoßen wir auf das Problem, dass Tiere plötzlich nicht mehr mit artgerechter Nahrung versorgt werden, sondern mit Kraftfutter. Einfach weil es billiger ist. Das Resultat sind auch hier starke Verschiebungen des Fettsäureverhältnisses.

So zeigen Studien signifikant messbare Unterschiede im Fleisch von zum Beispiel Rindern und anderem Vieh. Während bei natürlicher Ernährung das FSV von Omega-6 zu Omega-3 bei 1,5:1 bis 3:1 liegt, so liegt es bei unnatürlicher Fütterung oft bei 9:1 bis zu 14:1. Sowohl nimmt der Anteil an n-6 Fettsäuren zu, als auch der Anteil an n-3 Fettsäuren ab, meistens ist aber letzterer Aspekt deutlich schwerwiegender. (Selbst der Anteil an Vitaminen und anderen Nährstoffen sinkt im Fleisch übrigens oft um 50-80%, aber das soll Teil eines anderen Artikels sein.) Das bedeutet wiederum, dass wir vor allem zu wenige Omega-3-Fettsäuren konsumieren.

Jedoch nicht nur im Fleisch, selbst in anderen Tierprodukten, wie Milch, Wurst oder Käse, können wir eine Verschiebung erkennen. Bei Hühnereiern zeigen Studien einen ähnlichen Trend, sodass bei unnatürlicher Fütterung nur 1/3 der Omega-3-Fettsäuren übrig bleibt. Auch Vegetarier bleiben nicht außen vor, denn selbst zum Beispiel Tofu glänzt nicht gerade mit einem ausgewogenen Fettsäureverhältnis.

Was kann ich tun, um mehr Omega-3-Fettsäuren aufzunehmen und mein Fettsäureverhältnis zu verbessern?

Billige Öle und Bratfette – wie Sonnenblumenöl oder Sojaöl – sollten gänzlich aus der Küche verbannt werden. Besser ist zum Beispiel Olivenöl. Ideal für Salate ist Leinöl, welches mehr Omega-3-Fettsäuren als Omega-6- enthält. Eine Studie wies einen sensationellen Rückgang der Sterbequote von 70% nach, alleine durch den konsequenten Austausch ungesunder Ölen, womit eine Reduktion des Fettsäureverhältnisses auf 4:1 ermöglicht wurde. Zum leichten Braten eignet sich zum Beispiel Butter oder Butterschmalz, aber auch hier sollte man auf eine gute Herkunftsart und eine artgerechte Tierhaltung achten.

Bei allen Tieren und Tierprodukten ist eine artgerechte Fütterung vorzuziehen. Wenn Kühe auf der Weide grasen dürfen, dann ist auch das FSV der von ihnen produzierten Milch deutlich besser, als wenn sie Kraftfutter aus Mais erhalten. Bio ist also in der Regel den konventionellen Methoden überlegen.

Auch auswärts Essen gehen sollte reduziert werden, da in Restaurantküchen häufig vor allem auf den Preis geachtet wird. Und weil wir nicht auf alle Omega-6-reichen Lebensmittel verzichten können und wollen, sollte man darauf achten, genügend Omega-3-Fettsäuren zu konsumieren. Dann ist es nicht unbedingt nötig, auf das geliebte Wurstbrot oder den Abend beim Italiener zu verzichten. Denn zum Beispiel herkömmliches Schweinefleisch, Geflügelfleisch, Eier oder Avokados sind alles Quellen, die unsere Einnahme von n-6 Fetten deutlich erhöhen.

Doch reichen pflanzliche Produkte, wie zum Beispiel Leinöl, in der Regel nicht aus, um unsere Zufuhr an Omega-3 Fettsäuren zu erhöhen. Denn wie oben erwähnt, erhalten wir bei pflanzlichen Produkten die Fettsäuren vorwiegend in der kurzkettigen Form ALA, welche ganz am Anfang der langen Synthesekette in unserem Schaubild steht.

Unser Organismus ist jedoch alles andere als ein Profi in der Umwandlung von ALA bishin zu DHA. Ideal ist deshalb Fisch, da man vor allem DHA in reiner Form erhält und diese nicht erst vom Körper umgewandelt werden muss. Fischöl bietet dieselbe Möglichkeit, vor allem das schwer synthetisierbare DHA in konzentrierter Form und in hohen Mengen zu erhalten. Bereits mit einer Dosis von täglich 500mg DHA/EPA durch Fischöl, kann man sein Fettsäureverhältnis von 15:1 auf fast 5:1 verbessern.

Die Einnahme von Fischöl darf dennoch keine Ausrede für eine ungesunde Ernährung sein. Und um ein Fettsäureverhältnis von ungefähr 1:1 zu erreichen, bleibt es einem nicht erspart, den Konsum von Omega-6-Fetten zu reduzieren.

>